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  • HAUPTMENÜ:

  • Lerntypen

    Nachdem ich nun schon seit mehreren Dekaden angehende (junge wie ältere) Piper unterrichte, stellte ich fest, dass Unterrichten gar nicht so anders ist, als das Instrument selbst zu lernen: es dreht sich viel um Zeit und Übung. Wir kennen alle die Frage: "Wie werde ich besser, bzw. professioneller?" und ohne Luft zu holen, kommt meist die Antwort: "Üben, üben, üben!" Aber was ist Übung und wie überzeugen wir unsere Schüler davon, wie wichtig regelmäßige und korrekte Übung ist?

    Laut Wikipedia ist "Übung" definiert als: "Methodisch wiederholtes Handeln [Ausüben oder Performen einer Aktivität oder Fähigkeit], das darauf abzielt, Können [und ein gewisses Leistungsniveau] zu bewahren, zu erwerben oder zu steigern..." Es ist keine Überraschung, dass wir Musiker auf dieses System setzen, bis wir uns (im Stil der Matrix) das Bewusstsein und die Fähigkeiten der Top-Spieler in unser Gehirn runterladen können - aber mal ehrlich: Wo bleibt denn dann der Spaß? Wie auch immer, ohne gute Übungsmethodik werden Schüler immer wertvolle Übungszeit verschwenden, indem sie ihre Fehler und Unsauberkeiten wiederholen und sogar festigen. In der nächsten Unterrichtsstunde müssen diese dann erst methodisch "neu" gelernt werden, bevor man zu neuem Content übergehen kann. Das kann auf Dauer ermüdend und frustrierend sein. Bist Du selbst kein Lehrer, sondern Schüler, lies bitte trotzdem weiter - das wird für Dich ebenso interessant sein!

    Meisterschaft VS Performance

    Bevor ein Übungsplan erstellt wird, ist es wichtig zu wissen, welche Zielorientierung der Schüler hat. Dabei unterscheiden die Bildungs-Pädagogen Elaine Elliott und Carol Dweck jene Schüler, die zur Meisterschaft tendieren, von Schülern, die zur Performance tendieren.

    Die Meisterschafts-orientierten beziehen sich i.d.R. auf ihre vergangenen Leistungen, ihre Methoden zur Zielerreichung und ihren Lernprozess, um ihre persönliche Entwicklung abzuschätzen. Performance-orientierte dagegen, vergleichen sich mit Anderen und fokussieren sich auf individuelle Fähigkeiten, ihr Ego und das Ergebnis des Lernens. Musikalische Darbietungen sind für beide Typen angenehm und erfreulich, der Hauptunterschied liegt in ihren Referenzpunkten, mit denen sie jeweils ihren Fortschritt evaluieren.

    Beide Typen bevorzugen natürlich Aspekte, die sie zu positiven Ergebnissen führen, während Aspekte mit negativen Charakteristiken vermieden werden. Die Unterschiede sind aber feiner gestrickt: die Meisterschafts-orientierten Ziele bzw. Vermeidungen sind eher selbst-bezogen (z.B. "Ich will so viel lernen wie ich kann" oder "Ich will nicht verpassen etwas zu lernen") ⇒ diese Menschen motivieren sich i.d.R. über "Freude-Erzeugung". Die Performance-orientierten Ziele bzw. Vermeidungen formulieren sich dagegen immer im Vergleich zu anderen (z.B. "Ich möchte mein Instrument besser spielen als jeder andere in der Band" oder auch "Ich will nicht der schlechteste Spieler in der Band sein") ⇒ diese Menschen motivieren sich dagegen i.d.R. über "Schmerz-Vermeidung".

    In Untersuchungen korrelierte eine Meisterschafts-Orientierung mit mehr Übungszeit, größerer Ausdauer / Hartnäckigkeit / Beharrlichkeit, höherer Bereitschaft andere Übungsstrategien anzunehmen und mehr Commitment zum Ensemble. Daher finde ich es sehr vorteilhaft diese Orientierung zu unterstützen, im Vergleich zu den üblichen Performance-Zielen auf denen die klassische Pipeband-Bewegung traditionell so stark beharrt!

    Natürlich sind die wenigsten Musiker zu 100% Meisterschafts- oder Performance-bezogen - nicht in einem Aspekt einer Tätigkeit, und schon gar nicht generell in allen Aspekten! Es ist immer ein Spektrum und jeder befindet sich (bezogen auf einen bestimmten Aspekt) irgendwo dazwischen. Ein bestimmter Mensch tendiert bzgl. eines Aspekts mehr zum einen Ende, bzgl. eines anderen Aspekts evtl. mehr zum anderen Ende des Spektrums. Bei einem anderen Menschen kann es wiederum ganz anders sein.

    Spektrum

    Externe VS Interne Motivatoren

    Eine der essentiellsten Komponenten, einem Schüler korrektes Üben beizubringen, ist ein klares Ziel zu setzen. Jeder Schüler ist anders! Für jeden Schüler muss eine Balance zwischen extrinsischen (externen) und intrinsischen (internen) Motivatoren gefunden werden. Externe Motivatoren kommen von außerhalb des Schülers und sind meistens performance-orientiert, während interne Motivatoren aus dem Inneren des Schülers selbst kommen und weitestgehend meisterschafts-orientiert sind.

    In unserer Piping-Welt sind wir von externen Motivatoren geradezu umzingelt. Im Gegensatz zu internen Motivatoren ist hier dieser "nie enden wollende Juckreiz", stets ein neues Ziel verfolgen zu müssen. Sich bspw. an einem konkreten Vorbild zu orientieren, KANN ein exzellenter Motivator sein, das hängt aber sehr stark vom Schüler selbst ab. Manche werden davon inspiriert, üben ein paar Monate sehr hart, kommen in ein Plateau und verlieren dann die Motivation. Andere schaffen es, diesen Motivator als ein Lebensziel zu halten. Das Problem mit dieser Vorgehensweise in "hoch wettbewerblichen" Tätigkeiten ist, dass die Meisten letztendlich stagnieren, nachdem sie ein gewisses Niveau erreicht haben. Solo-Wettbewerbe sind zwar sehr gute extrinsische Motivatoren, da die gesamte Leistungsverantwortung auf dem Spieler liegt (und er sich nicht "hinter anderen Mitspielern verstecken" kann). Sie können aber ebenso auch schnell zu Frustration und Stagnierung führen ⇒ ein bisschen wie mit einem Ruderboot übers Wasser zu fahren - wenn Du aufhörst zu rudern, hörst Du auf Dich fortzubewegen.

    Meiner Erfahrung nach, erzeugen intrinsische Motivatoren die langfristigeren und konsistenteren, positiven Ergebnisse. Statt den Schüler nur "von Performance zu Performance" zu motivieren, sollte man versuchen, Wissbegierde und Begeisterung über die Besonderheiten des Instruments zu erzeugen. Gamification kann hierzu ein interessantes Werkzeug sein (Wie schnell kann der Schüler seine Drones stimmen? / Wie oft kann er ein bestimmtes Embellishment hintereinander korrekt ausführen? / usw.). Intrinsische Motivatoren bleiben dem Schüler i.d.R. aber auch länger erhalten, da sie sein/ihr "Interesse am Instrument" verstärken (und er/sie dadurch mehr Zeit und Energie reinsteckt) ⇒ eher wie ein Segelboot, bei Dem Du "nur" ab und zu steuerst und die Segel neu ausrichtest. Extrinsische Motivatoren erhöhen stattdessen bspw. nur das Verlangen, besser als ein bestimmter anderer Spieler zu werden.

    Wenn wir uns ansehen, wie "wettbewerbsgeprägt" unser musikalisches Genre ist, fällt sehr schnell auf, dass wir von extrinsischen Motivatoren geradezu umzingelt sind. Die Piping-Welt wurde quasi auf dem Gedanken aufgebaut, besser sein zu wollen als andere Spieler oder Bands. Natürlich hat dieses Format erstaunliche Spieler und Bands hervorgebracht, keine Frage - dennoch denke ich, würde ein größerer Fokus auf intrinsische Motivatoren, unsere Kunstform als Ganzes weiterbringen. Ich bezwecke mit diesem Artikel aber nicht, alle externen Motivatoren zu verbannen. Benutze sie weiterhin, sei aber achtsam und ergänze sie sinnvoll mit internen Motivatoren.

    Inneres Barometer

    Viele von uns (die Performance-orientierten) haben eine Art "inneres Barometer". Sie machen gerade so viel wie nötig, um eine Aufgabe zu bestehen. Braucht man bspw. 50 von 100 Punkten um eine Prüfung zu bestehen, erreichen sie vielleicht 55 Punkte, bzw. sie zielen genau darauf ab. Ganz nach dem Motto: "Ich werde (wahrscheinlich) bestehen, also kann ich mich entspannen und brauche nicht weiter zu lernen." Für sie ist Bestehen genug. Die Meisterschafts-orientierten dagegen, zielen immer auf die "volle Punktezahl" ab.

    Und das Interessante daran ist: Langfristig gesehen ist es einfacher, immer auf "100 Punkte" abzuzielen. Performance-orientiert zu sein ist (zumindest langfristig) aufwendiger, weil man sich ständig darauf konzentrieren muss, wieviel man arbeiten / lernen muss, um zu bestehen und wann es genug ist. Man muss immer aufpassen und ganz genau wissen, wann man bestehen kann, damit man auch weiß, wann man sich entspannen kann. Das erfordert hohe Präzision und kann in größerem Stress ausarten, als die Arbeit / das Lernen locker durchzuziehen. Es ist, als würde man ständig (eigentlich) unnötige Ressourcen dafür verbrauchen. Hinzu kommt, dass im "Performance-Modus" die Gefahr relativ groß ist, aus unvorhersehbaren Gründen "Punkteabzug" zu bekommen. Zumindest unterbewusst ist das den meisten klar, was für zusätzlichen Stress sorgt.

    Glaubst Du, Kobe Bryant wäre einer der weltbesten Basketballspieler geworden, wenn er sich selbst immer wieder gesagt hätte: "Ich spiele doch regelmäßig sehr erfolgreich in Turnieren, warum sollte ich dann zusätzlich noch Trainieren?". Mehr oder weniger das genaue Gegenteil war der Fall: Kobe war IMMER der Erste UND gleichzeitig Letzte, der zum Training erschien. Oft ließ er sich sogar nachts nochmal zur Basketball-Halle fahren um weitere Körbe zu werfen und zu trainieren! Auf der anderen Seite muss aber auch ein Marathonläufer nicht in jedem Training auch wirklich einen vollen Marathon laufen... Eine der 10 Rules for Success handelt speziell von der richtigen Intensität, konstruktive Gewohnheiten sind dagegen ein wiederkehrendes Konzept des Kurses.

    Fazit: Lerntypen

    Puzzle

    Jeder Schüler ist ein individuelles Puzzle. Sowohl dem Lehrer als auch dem Schüler muss das bewusst sein, um die ideale Lehr- & Übungs-Methode zu finden. Eine bestimmte Methode bis ins kleinste Detail zu replizieren kann also nicht der ideale Weg sein. Wie beim Lernen des Instruments selbst, wird es mit der Zeit einfacher und schneller dieses Puzzle zu lösen. Nach der Zielsetzung und Bestimmung der Motivatoren kann eine, an den Schüler angepasste Übungs-Strategie entwickelt werden. Der Lehrer wird dadurch evtl. auch das eine oder andere daraus lernen können.

    Autor: Robert Reibl (06.02.2022) [inspiriert von Lincoln Hilton]

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